Totengrund by Gerritsen Tess

Totengrund by Gerritsen Tess

Autor:Gerritsen, Tess
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Random House
veröffentlicht: 2010-06-05T16:00:00+00:00


21

Es schneite leicht, als Gabriel und Jane am nächsten Morgen aus ihrem Wagen stiegen und zum Straßenrand gingen. Dort blieben sie stehen und starrten schweigend in die Schlucht hinunter, wo das ausgebrannte Wrack des Suburban immer noch lag. Eine Spur aus zertrampeltem Schnee markierte den verschlungenen Pfad, auf dem das Rettungsteam am Vortag hinuntergeklettert war, um die Leichen zu bergen. Es musste sie große Mühe gekostet haben, die Opfer zur Straße hinaufzutragen, mit den Bahren um die Spitzkehren zu manövrieren, während die Sohlen auf dem vereisten Fels ausrutschten.

»Ich will näher herangehen«, sagte sie und begann den Pfad hinunterzusteigen.

»Da unten gibt es nichts zu sehen.«

»Ich bin es ihr schuldig. Ich muss sehen, wo sie gestorben ist.« Sie ging weiter, den Blick konzentriert auf den rutschigen Untergrund gerichtet. Unter der frischen Schicht Pulverschnee verbarg sich tückischer Harsch, und sie kam nur langsam voran. Bald schon schmerzten ihre Oberschenkel von dem steilen Abstieg, und schmelzende Schneeflocken, vermischt mit ihrem Schweiß, rannen ihr über die Wangen. Sie entdeckte erste Trümmerteile, die über den Abhang verstreut lagen: ein verdrehtes Metallteil, ein einzelner Tennisschuh, ein Fetzen blauer Stoff – alles schon halb begraben unter dem frischen Pulverschnee. Als sie endlich das Wrack erreichte, war es bereits mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Der Brandgeruch hing noch in der kalten, reinen Luft, und sie konnte die Narben sehen, die das Feuer hinterlassen hatte – die angesengten Büsche und die verkohlten Kiefernzweige. Sie malte sich aus, wie der Suburban über die Klippe gerast und in die Tiefe gestürzt war, die Schreie und die Panik, als die letzten Sekunden von Mauras Leben vor ihren Augen vorübergezogen waren.

Jane hielt inne und ließ stockend die angehaltene Luft entweichen, während sie zusah, wie der Neuschnee langsam die hässlichen Spuren des Todes unter sich begrub. Knirschende Schritte näherten sich ihr von hinten, und dann stand Gabriel neben ihr.

»Es ist so schwer zu begreifen«, sagte Jane. »Du wachst morgens auf und denkst, es wird ein ganz normaler Tag. Du steigst mit ein paar Freunden ins Auto. Und plötzlich ist alles vorbei. Alles, was du je gewusst und gedacht und gefühlt hast, existiert von einer Sekunde auf die andere nicht mehr.«

Er zog sie fest an sich. »Deshalb sollten wir jede Minute genießen.«

Sie wischte etwas Schnee von dem Wrack, und ein Streifen geschwärzten Metalls kam zum Vorschein. »Wir können es nie wissen, nicht wahr? Welche kleine Entscheidung letztlich unser Leben verändert. Wenn sie nicht zu dieser Tagung geflogen wäre, dann hätte sie Doug Comley nicht getroffen. Und sie wäre nicht in diesen Wagen gestiegen.« Abrupt nahm sie die Hand von der Karosserie des Suburban, als wäre sie glühend heiß. Den Blick starr auf den ausgebrannten Geländewagen gerichtet, stellte sie sich die letzten Tage von Mauras Leben vor. Sie wussten jetzt, dass es Comley gewesen war, den sie mit Maura auf dem Überwachungsvideo gesehen hatten. Sie hatten sein Foto auf der Website des Krankenhauses in San Diego gefunden, an dem er als Rechtsmediziner arbeitete. Zweiundvierzig Jahre alt, geschieden, alleinerziehender Vater. Er hatte an derselben Tagung teilgenommen wie Maura.



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